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Enerige & Management > Meer Wind - Schadenprofil älterer Windparks „sieht gut aus“
Quelle: E&M
MEER WIND:
Schadenprofil älterer Windparks „sieht gut aus“
Offshore-Windparks werden heutzutage „in der Regel“ nicht mehr von einem einzigen Versicherer betreut. Sagt Harald Dimpflmaier vom Industrieversicherer Allianz Commercial im Interview.
 
E&M: Herr Dimpflmaier, sollte man einen Offshore-Windpark und eine Netzanbindung überhaupt versichern oder selbst risikoadäquates Kapital vorhalten?

Dimpflmaier: Ich bin klar für einen Risikotransfer. Wir sprechen hier oft von Investitionen von über einer Milliarde Euro. Und Versicherer wie Allianz Commercial haben die Expertise, die Daten, Tools und Prozesse nicht nur für die Risikoeinschätzung und Risikobewertung, sondern auch für das Risk Management. Wenn wir uns an einem Risiko beteiligen, versuchen wir, gemeinsam mit unseren Kunden Schäden von vorneherein zu vermeiden. Die Frage stellt sich außerdem praktisch nicht, weil die Geldgeber eines solchen Projekts schlicht eine Versicherung fordern. Unsere Kunden entscheiden sich je nach Risikobereitschaft, ob sie sich mit zwei Millionen, fünf oder zehn Millionen pro Schadensfall am Risiko beteiligen.

E&M: Die Allianz hat den englischen Windpark ‚Doggerbank‘ und das deutsch-englische Projekt ‚Neuconnect‘ mitversichert. Gleichzeitig hat sich der Allianz-Konzern aber auch beteiligt: an EnBWs ‚He dreiht‘, an Vattenfalls niederländischem Windpark ‚Hollandse Kust Zuid‘ und an dem US-Projekt ‚Revolution Wind 1‘. Wann machen Sie das eine, wann das andere?

Dimpflmaier: Die Allianz unterstützt die Energiewende, sei es als Investor oder als Versicherer. Das sind unterschiedliche Gesellschaften innerhalb des Allianz-Konzerns, die ihre Entscheidungen unabhängig voneinander treffen.
 E&M: Wie häufig tritt auf See ein Versicherungsfall auf?
 Dimpflmaier: Das ist zu unterschiedlich, eine pauschale Aussage dazu ist nicht möglich.

E&M: Gibt es Gesetzmäßigkeiten − wenn wir nur Windparks im Betrieb vergleichen −, dass ältere Windparks anfälliger für Schäden sind als frisch errichtete? Oder umgekehrt die Windturbinen damals robuster gebaut worden sind?

Dimpflmaier: Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als es vor 15 Jahren in Deutschland losging mit den ersten Windparks. Da gab’s viele Diskussionen in der Versicherungswirtschaft: ‚Dauerhafter Betrieb − was heißt das? Welche Schadenslast ist zu erwarten?‘ Jetzt kann ich sagen: Bei älteren Windparks gibt es zwar Einzelfälle, in denen es kritisch wird nach einiger Zeit, aber insgesamt gibt es keine belastbaren Daten, die besagen, ein älterer Windpark habe eine höhere Schadenslast oder Schadensfrequenz. Das liegt vermutlich einerseits an den Service- und Wartungskonzepten der Windparkbetreiber, andererseits an sogenannten Condition Monitoring Systems, die in Offshore-Windturbinen eingebaut sind und helfen, Schäden rechtzeitig zu vermeiden. Also: Sieht gut aus. Sprechen wir in fünf Jahren noch mal, vielleicht sieht die Antwort dann anders aus. Hoffentlich nicht!

E&M: Dürfen Sie versicherte Offshore-Windkunden nennen?

Dimpflmaier: Zu einzelnen Kunden äußern wir uns üblicherweise nicht. Neben den von Ihnen genannten Beispielen kann ich aber sagen, dass wir weltweit mehr als 150 Windparks versichert haben, ob im Bau oder Betrieb. Wir sind auch an fast allen Windparks und Netzanbindungssystemen in der deutschen Nord- und Ostsee beteiligt. Wenn ich ‚beteiligt‘ sage, dann heißt das, dass wir das Risiko tragen, ob als führender Versicherer oder als Beteiligter eines Versichererkonsortiums. Denn im Regelfall kann das aufgrund der Größenordnung der Windparks kein einzelner Versicherer stemmen.
 
Harald Dimpflmaier ist Head of Underwriting Natural Resources Germany bei Allianz Commercial
Quelle: Allianz

E&M: Wie sieht es denn mit den Risiken deutscher Windparks auf See aus im Vergleich zu anderen Gewässern?

Dimpflmaier: Der Standort spielt für uns eine wesentliche Rolle bei der Risikobewertung. Es gibt unterschiedliche Wassertiefen, Wetterbedingungen, Entfernungen zur Küste und so weiter. Klar, gibt es Gegenden wie vor Taiwan, wo Sie Taifungefahren haben, da sind wir eher etwas vorsichtig. Aber wir stufen die Windparks in Deutschland nicht generell besser oder schlechter ein als an anderer Stelle. Es wird immer individuell beurteilt und entschieden.

E&M: Gehen wir die Schadensbilder konkret an: Allianz Commercial hat vor zwei Jahren angegeben, dass 2014 bis 2020 weltweit 53 Prozent des Schadensvolumens Kabelschäden waren und 20 Prozent Turbinenschäden. Ist das immer noch so?

Dimpflmaier: Das ist momentan immer noch so, auch wenn sich ein paar Prozentpunkte verschoben haben könnten. Aber das Bild kann sich ändern: Die Anlagen werden größer; mittlerweile wird die Leistungsklasse 14, 15 Megawatt aufwärts installiert.

E&M: Können Sie eine Hausnummer nennen, was Versicherungsbeiträge und Deckungssummen angeht?

Dimpflmaier: Dazu kann ich leider nichts sagen, weil dabei sehr viele Faktoren eine Rolle spielen und das Ergebnis immer individuell ist.

E&M: In der Nordsee sind schon jahrelang zwei ‚Sonderenergiegewinnungsbereiche‘ ausgewiesen, in denen irgendwann einmal grüner Wasserstoff produziert werden soll. Allerdings fehlen die regulatorischen Voraussetzungen für die Ausschreibung komplett und im Koalitionsvertrag fehlt grüner Offshore-Wasserstoff. Versichern Sie so was auch?

Dimpflmaier: Wir bauen gerade ein Climate Tech Team auf, das sich mit solchen Themen beschäftigen soll. Ein Schwerpunkt wird das Thema Wasserstoffherstellung sein. Wir sehen solche Risiken, allerdings im Moment nur onshore.

E&M: Zur Erklärung: Wenn Sie von ‚Risiken‘ sprechen, meinen Sie hier Geschäftschancen für die Allianz als Versicherer oder Investor, oder?

Dimpflmaier: Als Versicherer. Grüner Wasserstoff ist ein Zukunftsthema. Wir haben das technische Know-how dafür in verschiedenen Regionen und Funktionen. Das wollen wir bündeln und nutzen, um derartige Risiken versichern zu können. Wir haben es in unserer Sparte immer wieder mit neuen Technologien zu tun. Das gehört zu unserem Geschäft. Wichtig ist, dass wir früh eingebunden werden und ein enger Austausch mit dem Projektmanagement unserer Kunden möglich ist, weil wir die Technologien besser verstehen wollen. Wenn wir keine Schadensdaten haben, benötigen wir mehr anderweitige Informationen. Das ist generell so und bei der Wasserstoffherstellung offshore wird es auch so sein, sobald sie relevant wird. Ich möchte an der Stelle noch auf den Climate Tech Report der Geneva Association hinweisen, der voriges Jahr veröffentlicht wurde.

E&M: Die Geneva Association ist noch mal was?

Dimpflmaier: Ein weltweiter Verband, dessen Mitglieder die CEO von Versicherern und Rückversicherern sind. In dem Bericht wird die Rolle unserer Branche bei der Energiewende im Zusammenhang mit Investitionen, die zu einer klimaneutralen Welt führen sollen, dargestellt. Für den Report waren von der Allianz mehrere Personen involviert. Ich habe selbst zwei Jahre lang aktiv daran mitgewirkt. Wasserstoff war darin ein Teilprojekt.

E&M: Zurück zum operativen Geschäft: Können Sie eine typische Schadensregulierung auf See beschreiben?

Dimpflmaier: Wir können keine Größenordnungen nennen. Aber gerade im Kabelbereich gibt es Unachtsamkeiten bei der Installation, die zu Sachschäden führen können. Oder nach der Verlegung stellt man fest, dass ein Kabel defekt ist und der Fehler bei der Herstellung entstanden ist. Reparatur und Austausch eines Seekabels sind aufwendig. Außerdem kommt es bei Offshore-Windrisiken schnell zu hohen Kosten, weil man Spezialschiffe braucht, die 200.000 Euro pro Tag und mehr kosten können. 
 

Zur Person

Harald Dimpflmaier (60) hat seit dem ersten kommerziellen deutschen Offshore-Windpark „Bard Offshore 1“ versicherungstechnisch mit dem Geschäftsfeld zu tun. Damals noch beim Rückversicherer Swiss Re war er unter anderem als Sprecher der Initiative „Offshore Code of Practice“ aktiv. In dieser Initiative arbeitete die Offshore-Windbranche gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft an einem Best Practice Paper zum Risikomanagementprozess von Offshore-Windparks. Das Handbuch ist in der Zwischenzeit in vier Sprachen erhältlich.
Seit bald zehn Jahren arbeitet der Diplom-Wirtschaftsingenieur beim Industrieversicherer Allianz Commercial und hat dort unter anderem ein Offshore-Windteam aufgebaut. Vor gut einem Jahr wurde Dimpflmaier zum Head of Underwriting Natural Resources Germany befördert. Er verantwortet mit seinem Team von München aus das Offshore-Windgeschäft für Europa. Weitere „Hubs“ unterhält die Allianz in diesem Segment in London und für Asien. „Underwriting“ nennt sich der gesamte Prozess von der Ermittlung der Risiken bis zum Abschluss eines Versicherungsvertrags.
 
 
 

Georg Eble
Redakteur
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Donnerstag, 22.05.2025, 08:45 Uhr

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